Hauptaussage: Die Richtlinie 2009/147/EG legt verbindliche Vorgaben fest, um sämtliche wildlebenden Vogelarten in der EU dauerhaft zu erhalten, ihre Lebensräume zu schützen und eine nachhaltige Nutzung — etwa jagdlicher Art — zu gewährleisten.
Die Vogelschutzrichtlinie zielt darauf ab,
den Erhalt und die Wiederherstellung der Populationen wildlebender Vogelarten sicherzustellen,
eine hinreichende Vielfalt und Fläche ihrer Lebensräume zu bewahren oder neu zu schaffen,
die weise Nutzung (z. B. Jagd) zu regeln und
Forschungs- und Berichtspflichten zur kontinuierlichen Kontrolle und Anpassung der Schutzmaßnahmen zu verankern.
Sie gilt seit dem 15. Februar 2010 als konsolidierte Fassung und umfasst
alle wildlebenden Vogelarten sowie deren Eier, Nester und Lebensräume in der EU,
spezifische Schutzgebiete („Special Protection Areas“, SPAs) für Arten in Anhang I sowie regelmäßig vorkommende Zugvögel (Art. 4) und
allgemeine Schutzmaßnahmen für sämtliche Vogelarten (Art. 5–9).
Allgemeine Erhaltungsverpflichtung (Art. 2):
Die Mitgliedstaaten müssen Populationen auf einem ökologisch, wissenschaftlich und kulturell angemessenen Niveau halten, unter Berücksichtigung wirtschaftlicher und freizeitorientierter Belange.
Schutz der Lebensräume (Art. 3):
Erhalt, Pflege und ggf. Wiederherstellung zerstörter Biotope sowie Schaffung neuer Habitate zur Sicherung der Artenvielfalt.
Schutzgebiete (Art. 4):
Ausweisung von SPAs für alle in Anhang I gelisteten gefährdeten Arten und regelmäßig auftretende Zugvögel mit besonderem Augenmerk auf Feuchtgebiete.
Allgemeiner Schutz aller Vogelarten (Art. 5–6):
Verbot des absichtlichen Tötens, Fangens, Störens (insbesondere während der Brutzeit) sowie Verbote für Handel und Haltung geschützter Arten.
Regelung der Jagd (Art. 7–8):
Jagdzeiten müssen so festgelegt werden, dass sie die Fortpflanzung und Wanderung nicht beeinträchtigen. Große, nicht selektive Fangmethoden sind untersagt.
Ausnahmeregelungen (Art. 9):
In Ausnahmefällen — u. a. zum Schutz der öffentlichen Gesundheit, der Luftsicherheit, zur Abwehr erheblicher Schäden an Landwirtschaft, Wald oder Gewässern — dürfen kantonale Genehmigungen erteilt werden, sofern dadurch die Gesamtziele der Richtlinie nicht gefährdet werden.
Forschung und Berichterstattung (Art. 10–12):
Mitgliedstaaten müssen regelmäßig über Bestandsentwicklungen, ergriffene Maßnahmen und erzielte Ergebnisse Bericht erstatten, mindestens alle sechs Jahre.
Die Richtlinie ist von den Mitgliedstaaten in nationales Recht umzusetzen. In Deutschland geschieht dies vor allem durch das Bundesnaturschutzgesetz, das die Vorgaben der Vogelschutzrichtlinie ebenso wie jene der Habitat-Richtlinie (92/43/EWG) integrativ umsetzt.
Diese Rechtsvorschrift bildet das Fundament des EU-Vogelschutzes und ist eng mit dem Natura 2000-Netzwerk verbunden, das SPAs und FFH-Gebiete („Fauna-Flora-Habitat“) zum Schutz von Vögeln und anderen geschützten Arten umfasst. Die konsequente Anwendung und regelmäßige Berichterstattung sichern eine adaptive Steuerung des Artenschutzes innerhalb der Europäischen Union.
Das jüngste
Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 1. August 2025 stärkt den Vogelschutz in Europa massiv und ist eine wegweisende Entscheidung für unsere Arbeit. Der Fall, der auf einem Rechtsstreit in Estland basierte, befasste sich mit der Auslegung der
EU-Vogelschutzrichtlinie (Richtlinie 2009/147/EG).
Das Gericht hat klargestellt, dass die Richtlinie die Erhaltung
sämtlicher wildlebender Vogelarten im europäischen Gebiet der Mitgliedstaaten zum Ziel hat. Das bedeutet, dass der umfassende Schutz nicht nur für seltene, sondern auch für häufige Vogelarten wie die Stadttauben gilt. Das Urteil bekräftigt zudem, dass die Mitgliedstaaten eine allgemeine Schutzregelung für alle Vogelarten schaffen müssen.
Besonders relevant ist die Auslegung des Begriffs „absichtlich“ in Bezug auf das Töten oder Stören von Vögeln und die Zerstörung ihrer Nester und Eier. Der EuGH hat entschieden, dass eine Handlung bereits dann als absichtlich gilt, wenn der Urheber die Möglichkeit einer solchen Schädigung oder Tötung
zumindest in Kauf genommen hat. Dies gilt auch, wenn der Eingriff nicht gezielt Vögel töten oder Nester zerstören soll. Dies ist ein wichtiger rechtlicher Hebel, um das Schicksal von Tauben bei Baumaßnahmen oder anderen Eingriffen in städtischen Gebieten besser zu schützen.